Ein mal im Jahr veranstaltet das Kunstquadrat sein Sommer-Happening. Und die Stadtverwaltung, das Kulturamt und das Stadtmarketing beraumt dafür extra ein großes Stadtfest an.
Doch diesmal wollten wir dem bunten Treiben nicht unkritisch beiwohnen.
Diesmal würden wir protestieren!
[Pressemitteilung]
Protestistische Surreale
Während in der Welt und um uns herum „junge, kreative, neo-anarchistische Protestbewegungen” nachhaltig bestehende Systeme und Verhältnisse in Frage stellen und Teils gar verändern — wenn allenthalben wohin man in der Welt auch blickt eine junge, lebensbejahende, hungrige, unkontrollierte Kraft sich durch moderne Kommunikationskanäle selbst organisiert und ganz mutig ihre Partizipation an und in Gesellschaft ernsthaft, konstruktiv und friedlich mit Humor und Kreativität einfordert — wenn überall ungewöhnliche Formen der Kommunikation im „öffentlichen Raum” ungefragt und nicht autorisiert Platz ergreifen und die Empörung aber auch das Engagement und die gemeinsame Begeisterung dokumentieren — darf… nein sollte… nein muss gerade dann nicht auch kritisch die all zu trügerisch friedliche Atmosphäre des Heiligenhauser Stadtfestes hinterfragt und mit diskordischem Fnord ver- aber nicht ge- oder zer- stört werden?
Das Kunstquadrat zumindest schickt sich an, am Sonntag, den 10.06. genau diesen Protest spitz formuliert und in situationistischer Tradition auf die (Haupt-)Straße zu tragen!
Wir werden die hedonistischen Tempel zum Einsturz bringen und dabei Käsetoast reichen…
Und nebenbei kann der Eine von uns vielleicht auch noch etwas abstauben !?
Auf jeden Fall aber werden wir schon vor dem Stadtfest die Puppen tanzen lassen…
Zugegeben, der angekündigte „Puppentanz” war am Donnerstag schnell vorbei.
Sei’s ‚drum. Immerhin war diesmal niemand „gestadtfestet”.
Und auch die letzten Vorbereitungen für den „Vereinssonntag” waren trotz diverser Konkurrenz-Veranstaltungen (Comic-Salon in Erlangen, CannabisKulTour in NRW, Kandidatenwahl bei den Dortmunder Piraten, usw. usf.) und, ja man muss es deutlich sagen, vor allem trotz überschaubarem und empfindlich knappen Budget soweit ganz gut gediegen.
Ein großes Dankeschön an dieser Stelle für alle Unterstützer, Mäzene, und Materialspender!
Aber trotz allen Unwegbarkeiten: Wir waren gewappnet, unseren Protest auf die Straße zu tragen!
Mehr als zwei Dutzend Protestschilder in rot, blau, grün und weiß waren vorbereitet.
Das HQ, bestehend aus grünem Pavillon und mobiler Theke wurde diesmal sogar um ein paar„original ruhr.2010-A40-Stilleben” Bierbänke und -tische erweitert, die uns freundlicher Weise zur Verfügung gestellt wurden.
ming und dede besorgten frühmorgens den Aufbau (tmvp traf mal wieder erwartungsgemäß erst „cum tempore”, dafür aber mit Deko und massig selbst erstellten Flyern!) und richteten wie abgesprochen unsere große Versammlungs- und Aktionsfläche direkt vis à vis des pulsierenden Herzens des Stadtfestes, dem Rathausplatz, ein. Nur die schweren Fahrzeuge der (freiwilligen) Feuerwehr standen noch zwischen unserem Protest und den (noch) friedlich feiernden Menschen westlich unseres Hauptquatiers.
Nachdem wir uns häuslich eingerichtet hatten, begann unsere Kommunikationsguerilla damit, die unzähligen Protestschilder mit eingängigen Weltverbesserungs-Slogans zu versehen und auf der Straße um uns herum zu positionieren.
Aber ach, den unbändigen Naturgewalten konnte die große Weltrevolution nicht stand halten …
Windböhen ungeahnten Ausmaßes trieben ein böses Spiel mit unseren Protestschildern. Auch unter Aufwendung all unserer technischen Mittel konnten wir stets nur kurze Phyrrussiege davon tragen.
Aber auch solch kleine Rückschläge konnten uns nicht aufhalten, hatten wir doch noch eine ganze Menge anderer Späße für diesen herrlichen Tag geplant.
dede etwa wollte es sich nicht nehmen lassen, an diesem Tag ein wenig „abzustauben”.
Maskiert mit breiten Grinsen, grüner Nase und anonymisierender Augenmaske, behangen mit einem halben Bauchladen und bewaffnet mit Staubwedel und Bettel-Box machte er sich auf, um zu sehen was er bei den Passanten denn so „abstauben” könnte.
Dem ein oder anderen Opfer dieser Aufdringlichkeit wurde auch nicht sofort klar, was denn eigentlich „abgestaubt” werden sollte. Schließlich glich die Maskerade eher einem Panzerknacker als einem Stubenmädchen. Wollte er tatsächlich nur als kostenlose Dienstleistung die kleinen und kleinsten Staubpartikel von der Kleidung der Passanten entfernen? Oder war es mehr die vermeintlich „verstaubte” Meinung und Einstellung zu Kunst, Kultur und Komik, die es zu befreien galt? Wie auch immer, am Ende hatte er tatsächlich eine nicht unerklägliche Summe Geldes „abstauben” können, das natürlich, wie es sich für Künstler geziemt, sofort sinnlos auf den Kopf geschlagen wurde. Für Maibowle, Toast und Wassermelone.
Etwas kontemplativer ließ es ming angehen.
Schmale Bambusrohre, die in der Vergangenheit und Gegenwart aufgrund ihrer so vielseitigen Bedeutungsebenen schon so oft Material für Aktionen des kunstquadrat sind und waren, bekamen eine neue und ungewöhnliche Verwendung, indem ming diese Rörchen geschickt mit filligraner Kalligrafie versah. Sinnsprüche, Verse und Gedichte in historischen, asiatischen Zeichen zierten alsbald in schwarzer Tusche die Baubusrohre.
Vielleicht könnte man an dieser Stelle „auch für das leibliche Wohl war gesorgt” einfügen, aber diese Floskel gibt nicht einmal Ansatzweise wieder, welche Bedeutung dem kulinarischen Teil dieses Happenings zukommt.
„Esst mehr Käsetoast!” ist nicht nur in der Dortmunder „Urheberrechts-Debatten-affinen” Szene längst ein Mem. Gemäß den Richtlinien für einen kulturbereichernden Umgang mit Fremdideen griff man einen Ansatz der „Käsetoast-Bewegung” heraus, sponn ihn weiter und reicherte ihn mit weiteren Bedeutungsebenen an.
Das Kunstquadrat grillte den Käsetoast!
Natürlich wurden die Käsetoast kostenlos an die Passanten ausgegeben – ganz im Selbstverständnis des Kunstquadrat in Bezug auf Kunst und Kultur.
Neben all dieser kleinen Aktionen wurde der Tag für alle Akteure und Beteiligten zu einem gelungenen Kinderfest*.
All den vielen Menschen, der Familie, Freunden, Un- und Bekannten, die diesen Tag so erst ermöglicht haben, möchten wir danken!
Gerne wieder!
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Sehr wohl gesrochen. Der Artikel hat mir sehr viel Spass gemacht.